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Zurück zu den Wurzeln

Smartphone und iPad bilden eine Allianz mit Erde unter den Fingernägeln. Junge Münchner versuchen sich als Selbstversorger und nutzen dazu die Möglichkeiten des Internets. Sie wollen wissen, wo ihr Essen herkommt, und knabbern lieber knackige Radieserl aus eigenem Anbau als schlappe aus dem Supermarkt.

„Kartoffelkombinat – Diese Woche in der Ernte: die festkochende Kartoffel Nicola“, steht auf dem Bildschirm. Es ist der 25. Juli, und im Netzwerk Facebook präsentiert Daniel Überall stolz die Ernte. Das erste Mal hält der Münchner eigene Datteltomaten und Nicola-Kartoffeln in der Hand. Daniel und sein Mitstreiter Simon Scholl haben zum Jahreswechsel das „Kartoffelkombinat“ gegründet – die Gruppe kauft dem Eschenrieder Biobauern Siegfried Klein jede Woche fünf Prozent seiner Ernte ab, dafür zahlen sie 16 Euro pro Person und Woche.

Die beiden jungen Väter haben in München nachhaltiges Handeln auf den Weg gebracht, das seine Ursprünge in New York hat. Seit einigen Jahren schon bauen dort Bewohner Ge- müse auf Dächern an, halten Hühner im Hof und Bienen in Parks. Mittlerweile probieren auch hierzulande viele Stadtmen- schen aus, einen Teil ihrer Lebensmittel selbst herzustellen oder lokale Produzenten zu unterstützen – in Gemeinschaft, in der Nähe, organisiert im Netz. Bekannte Projekte sind der Prinzes- sinnengarten, ein Gemeinschaftsgarten in Berlin, und der Buschberghof bei Hamburg, deren Betreiber feste Abnehmer in der Stadt haben und dadurch unabhängig von Weltmarktpreisen und den Launen der Supermarktketten sein wollen.

In München ist Max Scharnigg ein Vorreiter der jungen Selbstversorger-Szene. Die Idee, mehr als ein paar Kräutertöpfe auf dem Küchenfensterbrett zu ziehen, rumorte schon lange in ihm. Vor fünf Jahren pachtete der Autor kurzerhand vier soge- nannte Bifänge, Ackerzeilen von jeweils 25 Meter Länge. Dort baut er seitdem Kartoffeln, Frühlingszwiebeln und Blumen an. Im März 2012 ist sein Buch „Feldversuch“ erschienen, in dem er über die Erfahrungen als Feierabend-Bauer berichtet. Die Entwicklung hin zu partieller Selbstversorgung sieht Scharnigg heute auf ihrem Höhepunkt: „Als wir 2008 von unserem Acker und der Idee vom eigenen Gemüse erzählten“, erinnert er sich, „konnte niemand etwas damit anfangen. Jetzt kennt jeder wen, der so etwas macht oder machen möchte.“ Auch Daniel vom Kartoffelkombinat hatte schon früh ähnliche Gedanken. Seit Ende 2010 befasst er sich mit urbaner Imkerei, hat die Web- site www.stadtimker.de begründet und seit letztem Jahr eigene Bienenvölker im Glockenbachviertel und in Moosach angesiedelt. Dabei hat er festgestellt, dass er auch an der Erzeugung von Gemüse beteiligt sein möchte.

„Das ist mein Abenteuerspielplatz“, sagt Daniel und sieht sich um. Es ist ein warmer Augusttag, er und Simon stehen in Jeans und T-Shirt in einem Gewächshaus in Bergkirchen. „Warte, ich hole dir eine besonders rote“, sagt Daniel, geht zu einem der Sträucher und pflückt eine Tomate. „Wahnsinn, wie die schme- cken, oder?“, sagt er und klingt stolz, denn dieses Gewächshaus, das gehört auch ein bisschen ihm. Als Kommunikationsberater sind neue Medien und virtuelle Netzwerke seine Spielwiese. Jetzt läuft Daniel durch das Gewächshaus und erklärt, wie wichtig die Spinnen sind, die hier überall Netze bauen und als natürliche Schädlingsbekämpfer dienen, und wie anstrengend es ist, Bohnen zu ernten. Seit einigen Monaten besuchen er und Simon regelmäßig die Gärtnerei von Siegfried Klein im Münch- ner Westen. Immer donnerstags fahren sie zu ihm. Dann setzen sie sich auf die Bierbank gegenüber vom Eingang zum Hofladen. Daniel klappt seinen Laptop auf, legt sein Smartphone zur Seite, und er und Simon besprechen mit dem Biobauern die kommen- den Wochen: Welches Gemüse wird geerntet, wie viel gibt es diesmal für jedes Mitglied des Kartoffelkombinats, welche Rezepte können sie ihren „Genossen“ für Zucchini empfehlen. Brauchen sie einen Grill für das Tomatenfest, das am nächsten Wochenende ansteht und bei dem die Unterstützer die Gärtnerei kennenlernen sollen? Noch während sie darüber sprechen, tippt Daniel erste Ergebnisse in den Computer. An manchen Tagen veröffentlicht er auf Facebook im Stundentakt Informationen zu seinem Projekt. Zusätzlich liegt in jeder Kartoffelkombinat-Kiste ein Faltblatt, das Daniel zum Beispiel in der Kalenderwoche 32 mit Informationen über Insektizide, den Finanzplan des Kombinats und natürlich die Ernte bestückt.

Sinn für Saisonales: Erdbeeren kommen nur im Juni und Juli in die Kiste

Wie ähnliche Projekte ist das Kombinat aus der Idee entstanden, selbst zu entscheiden, was man isst und woher die Lebensmittel stammen. Simon und Daniel haben beschlossen, nicht mehr, wie viele andere Konsumenten, auf zwei Tomatensorten aus dem Supermarkt angewiesen zu sein. Sie finden es gut, zu wissen, dass ihre Datteltomaten von Siegfried Klein geerntet wurden. Ihren Kindern bringen sie bei, dass es Erdbeeren in Deutschland nur im Juni und Juli gibt. Weil sie diese Denkweise weiterverbreiten wollen, liefern sie – ähnlich wie bei einer Biokiste – den Kartoffelkombinat-Genossen jede Woche Gemüse frei Haus. Zwei Tage in der Woche, mittwochs und donnerstags, kurvt Simon auf eigene Kosten mit einem Transporter durch die Stadt. Weil sie selbst kein Auto besitzen, haben er und Daniel eine Kooperation mit einem Carsharing-Unternehmen. „Vor allem den Mittwoch mag ich gern. Da fahre ich die Runde, auf der viele Freunde von mir wohnen, die eine Kiste bekommen“, erzählt er, während er in der Sommerstraße in der Au eine Box in den zweiten Stock trägt. Was genau sich darin befindet, hängt von der saisonalen Ernte ab. Angelegt sind die Kisten so, dass ein zweiköpfiger Haushalt mit dem Gemüse eine Woche auskommt: In dieser Augustwoche gibt es für jeden 1,5 Kilogramm Kartoffeln, 750 Gramm Tomaten, Auberginen, Kohlrabi und Zucchini, einmal Bundzwiebeln und einen Salat. Wer möchte, bekommt ein Biobrot geliefert, das kostet vier Euro extra.

Das Kombinat basiert auf solidarischer Landwirtschaft: Verhagelt es die Ernte, bekommt Siegfried Klein trotzdem Geld. Ist ein Unterstützer in Urlaub, kann er seine Kiste nicht einfach abbestellen – sondern nennt jemanden, dem sie an seiner statt geliefert wird. In zwei Jahren soll das Kombinat eine Genossenschaft werden, die der Gärtnerei von Siegfried Klein 100 Prozent der Ernte abnimmt. Noch haben sich nicht genügend Unterstützer gefunden – mehr als 200 Genossen wären nötig, um die Gärtnerei von Siegfried Klein zu finanzieren. Die Mitglieder könnten dann mitbestimmen, was angebaut wird, und auch mal bei der Ernte helfen. Schon jetzt sind die Unterstützer des Kartoffelkombinats keine anonymen Kunden – sie kommunizieren mit Daniel und Simon über E-Mail und geben auf Facebook Kommentare zur Lieferung ab.

Die Bedeutung des Internet unterscheidet das Projekt von früheren Bewegungen. Durch das Netz es ist leichter, Mitstreiter zu finden und Ideen rasch umzusetzen. Daniel hat früher bei der Nachhaltigkeitsplattform utopia.de gearbeitet, Simon als interkultureller Berater. Derzeit verdienen sie kein Geld mit dem Kartoffelkombinat – Simon hat Ersparnisse von einem Beraterjob, Daniel arbeitet bei einer Stiftung, die sich Nachhaltigkeitsthemen widmet. Die Idee solidarischer Landwirtschaft hatten sie im November 2011. Als Daniel der Name „Kartoffelkombinat“ einfiel, ein Name, der jung klingt und ein bisschen revolutionär, startete er am 1. Januar 2012 kurzerhand das Blog und registrierte die Domain Kartoffelkombinat.de – ohne vorher einen Bauern gewonnen zu haben. Zu Beginn des Frühjahrs ist er sich mit Siegfried Klein einig geworden. Heute, etwa zehn Monate nach einem gemeinsamen Spaziergang, unterstützen 60 Haushalte das Kombinat.

Echte Erdung: Wer virtuell arbeitet, schätzt Jäten und Ernten

Die virtuelle Vernetzung ist einer der Gründe, warum sich gerade Menschen zwischen Mitte 20 und Ende 30 für Projekte wie dieses interessieren: Einerseits sind sie über den Verbreitungskanal am besten zu erreichen. Andererseits sind sie so viel online unterwegs, dass sie sich über reale Erde und echtes Gemüse freuen. Wer zehn Stunden am Computer in einer Werbeagentur arbeitet, für den bedeutet es Ausgleich und Erholung, am Samstag Unkraut zu zupfen. Zusätzlich gehören diese jungen Menschen zu der Generation, die mit Mülltrennung aufgewachsen ist und schon als Kind das Wort „Klimawandel“ kannte. Übers Netz organisiert gemeinsam anzubauen ist da logische Konsequenz – und gleichzeitig Teil eines Trends, den Soziologen „Cocooning“ (deutsch: einigeln) nennen und als Krisenreaktion sehen: die Rückbesinnung auf Heim und Herd und den eigenen Garten, die sich im Erfolg von Magazinen wie „Landlust“ niederschlägt und darin, dass plötzlich Dinge schick sind, die eine Generation zuvor als „spießig“ abgetan hätte: nähen, Obst ein- wecken oder eben – wie das Kartoffelkombinat beim Tomatenfest – Tomaten einkochen. „Hauptsache, im Gärtchen kann man die Seele baumeln lassen, die Welt draußen ist so verworren, dass man sie lieber ausblendet“, sagt Autor Max Scharnigg.

„Zu groß!“, ruft Siggi Fuchs und wirft eine kürbisgroße Zucchini in hohem Bogen Richtung Waldrand. „Die wachsen so schnell hier, wenn ich die nicht ernte, werden die Zucchini riesig – und dann schmecken sie nicht mehr.“ Es ist sieben Uhr morgens. In kurzen Hosen und schwarzen Plastikschlappen steht Siggi in seinem Acker am nördlichen Stadtrand von München. Einmal in der Woche kommt der 45-Jährige zum Ernten hierher, dann stapft er über das knapp 300 Quadratmeter große Feld, schneidet Zucchini und wirft sie in einen der grünen Plastikkörbe. Knapp 50 Kilo wird er heute ernten, sie auf die Ladefläche des Lieferwagens wuchten und nach München fahren. Dort stellt er sie in seinen Hinterhof im Westend zu den Kisten mit Bohnen und Gurken und wartet, bis seine Mitglieder kommen und das Gemüse abholen. Beim „Waldgärtner“ kann sich jeder nehmen, so viel er will: Tomaten, Zucchini und anderes reifes Gemüse. Dafür bezahlen sie ihm ein Jahr lang jeden Monat 56 Euro. In manchen Wochen gibt es allerdings hauptsächlich nur eine Gemüsesorte. Zurzeit sind es Zucchini – so viel, dass selbst Siggi sagt, dass er bald genug von ihnen hat.

Sozialarbeiters seltene Sorten: Beim „Waldgärtner“ gedeihen rund 50 verschiedene Tomatensorten

Siggi Fuchs ist Gründer der „Waldgärtner Wirtschaftsgemeinschaft“: Knapp 140 Haushalte versorgt er im Sommer mit Gemüse von seinem Feld und aus einer gepachteten Gärtnerei in Johanneskirchen. Auch er betreibt solidarische Landwirtschaft. Das Konzept lernte er durch einen Fernsehbeitrag kennen. Schon damals beackerte er neben seiner Arbeit ein Stück Land. Die Ergebnisse waren anfangs miserabel, die Erde war schlecht und die Tomaten und Kräuter wollten nicht wachsen. Also las sich Siggi Wissen an, schaufelte Erde und verteilte Regenwürmer. Bald kam er nicht mehr nach mit dem Ernten und überschwemmte Freunde und Nachbarn mit Gemüse. Das kam ziemlich gut an, auch, weil Siggi nicht nur gärtnert, sondern auch sammelt: alte Samen und Sorten, von denen man kaum welche in den Regalen der Supermärkte findet. Zählt man allein die verschiedenen Tomatensorten, die Siggi anpflanzt, kommt man auf mehr als 50. Manche sind gelb, andere grün-rot gestreift, einige sind groß wie Handbälle, andere klein wie ein Wachtelei. Und alle, meint Siggi, haben einen ganz besonderen Geschmack. „Da bin ich arrogant“, sagt er, „Tomaten ess ich nur, wenn ich sie angepflanzt habe.“ Weil er für den Anbau des Gemüses, die Pflege der Pflanzen und die Ernte Zeit braucht, hat Siggi seinen Job als Sozialarbeiter an den Nagel gehängt. Seit- dem ist er hauptberuflich der „Waldgärtner“ – und kann sich vor Anfragen kaum retten. Doch neue Interessenten will er nicht mehr aufnehmen, denn dann müsste er mehr anbauen und Leute einstellen. „Wachsen“, sagt Siggi darum, „das würde bedeuten, dass ich irgendwann werde wie die Großbetriebe.“ Siggi kennt jedes Mitglied beim Vornamen. Braucht er Hilfe bei der Bohnenernte, fragt er im Kreis seiner Kunden – die Unterstützer sind am Entstehungsprozess mit den eigenen Händen beteiligt, nicht nur mit Geld.

Die wachsende Begeisterung für den Eigenanbau habe auch mit der Wirtschaftskrise zu tun, meint Siggi. Einige seiner Mitglieder denken, dass sie bei ihm noch Gemüse bekommen werden, wenn der Euro zusammenbricht und Europa in die Krise abrutscht. Solidarische Landwirtschaft als Lebensversicherung sozusagen. „Mich erinnert das an meine Mutter“, sagt Siggi. „Die hat immer erzählt, dass im Krieg die Bauern wenigstens was zu essen hatten.“

Solidarische Landwirtschaft und Selbstversorgung resultieren auch aus einer anderen Krise: der der Landwirtschaft. Nach Skandalen wie EHEC und Bildern von Massenproduktionen vertrauen die Konsumenten herkömmlichen Bauern immer weniger. Solidarische statt industrieller Landwirtschaft scheint da ein Ausweg, stellt die Gemeinschaft doch die Verbindung zwischen Bauer und Verbraucher wieder her – und damit das Vertrauen.

Vielen ist das noch nicht genug – sie wollen keine Zwischenstation, sie wollen ihr eigenes Gemüse auf ihrem eigenen Feld. Seit 1999 vergibt die Stadt an solche Interessenten „Krautgärten“, Parzellen, die Bürger mieten und bepflanzen können und die immer stärker nachgefragt werden. Einst begann das Projekt mit einem Standort in Johanneskirchen, heute gibt es insgesamt 17 Flächen mit 1114 Parzellen. Auf denen ziehen bis zu 3000 Menschen jedes Jahr Salatköpfe und Radieschen.

Kürbisse für Konsumverweigerer: ein Garten als Spielwiese für Idealisten

In eine ähnliche Richtung geht der Gemeinschaftsgarten „O’Pflanzt is“. 3300 Quadratmeter ist das Gelände an der Schwere-Reiter-Straße groß, das lange brachlag und zwei Vereinsmitglieder beim Radeln durch Zufall entdeckten. Heute wuchern aus einem halben Dutzend alter Einkaufswagen Blumen, ein paar Meter weiter wachsen Gemüse und Kräuter in hölzernen Hochbeeten, dazwischen hoppelt ein Hase über den Schotterboden – alles ist so angelegt, dass es schnell transportiert werden kann. Denn es ist unklar, wie lange die Stadt den Hobby- gärtnern dieses Stück Land noch überlässt. Das Besondere: Bei „O’Pflanzt is“ gibt es keine Parzellen wie etwa bei den einzelnen Krautgärten, sondern „jeder macht, was anfällt“, erklärt Caro, 39 Jahre und Sprecherin von „O’Pflanzt is“. Das Projekt spricht vor allem Menschen an, die sich sehr für Natur- und Umweltschutz interessieren und ihre grüne Überzeugung konsequent leben. So ist Caro zum Beispiel Veganerin und trägt nur gebrauchte Kleidung. Und weil nicht sicher ist, dass der Mist für den Komposthaufen in der Ecke des Geländes wirklich nur von Tieren kommt, die keine Antibiotika bekommen haben, essen manche Mitglieder die Kürbisse nicht, die dort wachsen. Gegründet hat sich der Verein 2011, das Grundstück an der Schwere-Reiter-Straße haben sie seit diesem Jahr von der Stadt gepachtet. 45 aktive Mitglieder treffen sich dort zweimal die Woche, um gemeinsam zu jäten, zu gießen und zu ernten. Werbung für ihr Projekt machen Caro und die anderen Mitglieder übers Internet und mit einem Schild am Eingang. Vorbeikommen darf, wer mag. Niemand muss Geld für das Essen bezahlen, das gemeinsam gekocht wird. Auch Gemüse kann sich jeder mitnehmen, der am jeweiligen Tag im Garten ist. Einen „O’bulus“, wie die Spende dort heißt, lässt nur da, wer möchte. Finanziert wird das Projekt über Stiftungen und Spenden.

So begehrt das eigene Stück Land ist – weg aus der Stadt wollen die jungen Gärtner und Genossenschaftler nicht. „Die Liebe zum Land ist eine platonische“, erklärt Autor Scharnigg. Selbst Gemüse anbauen ist zwar schön, aber der Besuch im Kino und der wöchentliche Stadtbummel eben auch. Gleichzeitig ist keines der Projekte so effizient, dass es seine Teilnehmer vom Gang in den Supermarkt befreit – dazu müsste man den Anbau tatsächlich im großen Stil auf dem Land betreiben. Noch ist die eigene Ernte also der Luxus, den man sich zur Entspannung und Entschleunigung gönnt. Ihre Projekte kosten Simon, Daniel und Caro viel Zeit, ohne dass sie bisher davon leben können. Dem- entsprechend sind es vor allem junge Gutverdiener oder – wie im Fall von Caro – bewusste Konsumverweigerer, die sich die Hände schmutzig machen und für die, wie es Caro ausdrückt, „die Ernte positives Nebenprodukt“ ist. „Die freuen sich, wenn da tatsächlich eine Aubergine wächst – selbst wenn sie die dann vielleicht gar nicht selbst essen“, sagt die Journalistin. Es geht um den Weg, nicht um die Aubergine.

Noch ist es also eher ein Wochenendvergnügen von Mittdreißigern, doch Projekte wie diese könnten eine Vorreiterrolle spielen. Denn die jungen Selbstversorger eint der Wille, langfristig nicht nur das eigene Leben zu ändern, sondern die Gesellschaft. Caro erklärt ihr Gartenprojekt so: „Wir liefern ein Modell, wie es in einer besseren Zukunft laufen könnte. Die Idee von ‚O’Pflanzt is‘ ist, dass auch Menschen, die sich das Gemüse im Supermarkt nicht leisten können, die alt sind, einsam oder nicht von hier sind, eine Möglichkeit haben, unter Menschen zu kommen und Natur zu genießen.“

Hier geht’s zum Kartoffelkombinat, zum Waldgärtner, zu O’Pflanzt is und den Krautgärten. Das Buch von Max Scharnigg heißt “Feldversuch”, erschienen im Fischer Verlag, 8,99 Euro.

Verfasst zusammen mit Christoph Gurk, erschienen im Magazin BISS, Ausgabe 10/2012 – mit Fotos von Christoph Gurk.

Lea Hampel