Text • Süddeutsche Zeitung

Auf die Tube gedrückt

Nachhaltigen Konsum wollen alle. Doch was in der Theorie super klingt, ist in der Praxis kompliziert. Warum, das lässt sich am besten an der Zahnpastatube erzählen.

Natürlich heißt der Mann auch noch Zahn, Thomas Zahn. Im Schaufenster seines Heidelberger Geschäfts liegt ein glitzernder Totenkopf mit glänzendem Gebiss, drumherum hat er Zahnpastatuben drapiert. Das Telefon klingelt. Zahn, 48, hellblaues Hemd, kahl rasierter Kopf, schwarze Brille, zwängt sich durch Kisten hinter die schmale Theke. „Wenn Sie die Feigenzahnpasta wollen, muss ich Sie ent- täuschen. Vorhin hab ich die letzten zwei Tuben verkauft.“ Zahn nimmt die Bestellung auf, fünfmal „Wonder White Feige“, nächste Woche würde geliefert. Er legt auf. Über seinem Geschäft in Heidelberg prangt der Schriftzug „Zahns Zahnladen“. Der Name, sagt er, sei Zufall. Und was für einer. Seit 115 Jahren verhilft seine Familie den Menschen zu einem guten Mundge- fühl.

In Zahns Geschäft gibt es alles, was die Mundhygiene fördert. Japanische Elektrozahnbürsten, Zahnzwischenraumbürstchen. Und überall Tuben, Tuben, Tuben. Die meisten aus Plastik, wenige aus Metall, sehr viele in einem Karton. Mehr als 100 Sorten Zahnpasta hat Thomas Zahn im Angebot, Schwarzwälder-Kirsch-Geschmack und Retrodesign aus Portugal, Tuben mit Holzdeckel, eine Tube enthält sogar Gold. Menschen lassen bei Thomas Zahn zweistellige Beträge dafür, dass sie beim Zähne- putzen Mango schmecken oder der Mundraum sich mit Aktivsauerstoff füllt. Was sie kaufen, wählen die Kundinnen und Kunden von heute genau aus. In letzter Zeit fragen manche aber nicht nur nach der Zahncreme, wenn sie in Thomas Zahns Laden kommen, sondern auch nach deren Verpackung. Vor allem die, die Biozahnpasta kaufen. Das ist neu. Und wenig verwunderlich.

Glaubt man Umfragen, Unternehmen und Wahlprogrammen, wollen alle eine Wirtschaft, die der Umwelt weniger schadet. Deshalb legen mehr Menschen Scheiben auf ihr Brot, die wie Wurst aussehen, aber nicht aus totem Tier sind. Deshalb versichern Unternehmen, wie beim Weltwirtschaftsforum in Davos, nur „grüne“ Rohstoffe zu verarbeiten – ein nicht genau definierter Begriff, der oft für weniger CO2- Ausstoß in der Produktion steht. Und deshalb betonen Politiker, dass der Kreislauf die Zukunft der Wirtschaft sei….

… der ganze Text steht hier auf der Website der Süddeutschen Zeitung. Erschienen ist er im “Buch Zwei” in der Printausgabe am 18. Juni 2022. Die Illustrationen stammen von Dirk Schmidt.

Lea Hampel